Du bist ein Gott, der mich sieht
(Gedanken zur Jahreslosung 2023 aus 1. Mos 16,13)

Ich erinnere mich noch gut an einen jungen Mann, den ich vor vielen
Jahren in einer Sportgruppe meiner damaligen Kirchengemeinde

kennenlernen durfte. Ich nenne ihn hier mal Charlie. Charlie steckte
voller Energie. Wenn es irgendwo Treffen oder Veranstaltungen der
Jugend gab: Charlie war dabei. Stets in vorderster Reihe und immer
mit einem Spruch auf den Lippen. Bisweilen war er dermaßen aufge-
dreht, dass es schon recht anstrengend sein konnte mit ihm. Mein

Vater sagte einmal, dass er immer, wenn er Charlie sieht den Impuls
verspürt, ihm ein Klavier auf den Rücken zu schnallen, das er dann
von A nach B transportieren solle. Einfach nur, damit der arme Junge
doch endlich seine Energie ausleben könne.

Wer sich aber durch Charlies überbordende Energie nicht ablenken
ließ und genauer hinschaute, dem verging das Lachen. Denn der

entdeckte die große Not, die in Charlie steckte und die dieser biswei-
len auch gegen sich selbst richtete. So waren seine Fingernägel bei-
spielsweise total zerkaut. Der Pastor meiner damaligen Gemeinde
machte über Charlie einmal eine Bemerkung, die dessen Not sehr

einprägsam auf den Punkt brachte und an die ich seitdem immer

wieder denken muss. Er sagte: Der Charlie kämpft mit allem, was er
sagt und tut, verzweifelt um Aufmerksamkeit!

Ist das nicht auch die Beschreibung des Verhaltens von so vielen
Menschen in diesen Tagen, die verzweifelt darum bemüht sind, gese-
hen, wertgeschätzt oder sogar bewundert zu werden? Dafür stählen
sie ihre Körper, legen sich unters Messer, protzen mit Titeln und füh-
ren mitunter sogar Kriege. Und die Social-Media-Kanäle Facebook,
Instagram, Twitter, Youtube sind voller Menschen, die wie Süchtige
darum wetteifern, wer die meisten Follower und damit die größte
Aufmerksamkeit hat. Da werden unzählige Fotos hochgeladen, Videos

 online gestellt und Kommentare abgelassen die meisten mit mehr
oder weniger geistfreiem Inhalt.

Das Ganze erinnert mich an Kain aus der berühmten Kain-und-Abel-
Geschichte auf den ersten Seiten der Bibel in Gen 4, in der Kain und
sein Bruder Abel die Erstlinge ihrer Ernte bzw. ihres Viehs, also das
Beste, was sie haben, als Opfer verfeuern, um von Gott gesehen zu
werden; um Ansehen von und vor Gott, dem Allerhöchsten, zu erhalten.
Und als Kain den Eindruck hat, dass Gott ihn nicht sieht, erschlägt er
vor lauter Hass geboren aus Not und Verzweiflung seinen eigenen

Bruder. Tödliche Konkurrenz aus tiefster Minderwertigkeit so würde
ich die Tragik dieses Geschehens bezeichnen, das Teil der Urge-
schichte der Menschheit ist. Und diese Urgeschichte ist weniger histo-
risch als viel mehr wesensmäßig zu verstehen: Je tiefer man in das
Wesen des Menschen abtaucht, desto eher wird man finden, dass es
sich genau so unter den Menschen verhält.

Die Jahreslosung aus 1. Mos 16,13, gesprochen aus dem Munde der
flüchtigen Hagar, ist daher das beste Medikament, was die vor Aner-
kennungssucht und Profilzwang erkrankten Menschen brauchen: Die
Zusage, dass sie gesehen und wertgeschätzt sind. Egal ob und was sie
tun. Unabhängig von allem, was sie leisten oder nicht. Einfach so. Be-
dingungslos. Hundertprozentig. Wenn diese Gewissheit nicht eine gute
Nachricht ist! Es bedarf wohl eines ganzen Lebens oder mehr, um die-
se Wahrheit eines Gottes mit seinem liebendem Blick wirklich begreifen
und dadurch ablassen zu können von allem verzweifelten Bemühen um
Aufmerksamkeit und Ansehen.

Diese beruhigende und heilende Gewissheit wünsche ich uns allen am
Anfang des neuen Jahres 2023!

Ihr und euer Pastor Parvis Rahbarnia.
 

0602
online gestellt und Kommentare abgelassen die meisten mit mehr
oder weniger geistfreiem Inhalt.

Das Ganze erinnert mich an Kain aus der berühmten Kain-und-Abel-
Geschichte auf den ersten Seiten der Bibel in Gen 4, in der Kain und
sein Bruder Abel die Erstlinge ihrer Ernte bzw. ihres Viehs, also das
Beste, was sie haben, als Opfer verfeuern, um von Gott gesehen zu
werden; um Ansehen von und vor Gott, dem Allerhöchsten, zu erhalten.
Und als Kain den Eindruck hat, dass Gott ihn nicht sieht, erschlägt er
vor lauter Hass geboren aus Not und Verzweiflung seinen eigenen

Bruder. Tödliche Konkurrenz aus tiefster Minderwertigkeit so würde
ich die Tragik dieses Geschehens bezeichnen, das Teil der Urge-
schichte der Menschheit ist. Und diese Urgeschichte ist weniger histo-
risch als viel mehr wesensmäßig zu verstehen: Je tiefer man in das
Wesen des Menschen abtaucht, desto eher wird man finden, dass es
sich genau so unter den Menschen verhält.

Die Jahreslosung aus 1. Mos 16,13, gesprochen aus dem Munde der
flüchtigen Hagar, ist daher das beste Medikament, was die vor Aner-
kennungssucht und Profilzwang erkrankten Menschen brauchen: Die
Zusage, dass sie gesehen und wertgeschätzt sind. Egal ob und was sie
tun. Unabhängig von allem, was sie leisten oder nicht. Einfach so. Be-
dingungslos. Hundertprozentig. Wenn diese Gewissheit nicht eine gute
Nachricht ist! Es bedarf wohl eines ganzen Lebens oder mehr, um die-
se Wahrheit eines Gottes mit seinem liebendem Blick wirklich begreifen
und dadurch ablassen zu können von allem verzweifelten Bemühen um
Aufmerksamkeit und Ansehen.

Diese beruhigende und heilende Gewissheit wünsche ich uns allen am
Anfang des neuen Jahres 2023!

Ihr und euer Pastor Parvis Rahbarnia.